Kurzzeitdozenturen mit Weitblick: Deutsche Rechtswissenschaft zwischen Peking, Chongqing und Karlsruhe

Peking, 1. Juni 2025.

Im Sommersemester 2025 durfte das CDIR in Peking zwei engagierte Kurzzeitdozenten für jeweils zwei Wochen begrüßen. Sie beide tragen seit über einem Jahrzehnt zur juristischen Ausbildung und zum interkulturellen Austausch im CDIR und im Alumni-Netzwerk bei.

Mai 2025 – Europarecht bei Herrn Dr. Eike Michael Frenzel (links) und Sachenrecht bei Herrn Prof. Sebastian Lohsse (rechts).
Die Abschlusseinheit der Sachenrechtsvorlesung kollidierte zeitlich mit einer Sprachprüfung (TestDAF) – einige Studierende waren abwesend.

Dr. Eike Michael Frenzel: Europarecht mit Begeisterung und Brücken nach Karlsruhe

Dr. Eike Michael Frenzel, Regierungsbeamter im Dienst des Landes Baden-Württemberg und Privatdozent der Universität Freiburg, war auch in diesem Jahr wieder als Kurzzeitdozent für Europarecht am CDIR tätig – eine Aufgabe, die er seit 2010 nach Möglichkeit kontinuierlich und leidenschaftlich übernimmt. Selbst während der Covid-19-Pandemie unterrichtete er online weiter und hielt den Kontakt zu den Studierenden aufrecht. Seine Kenntnisse und sein Bestreben, juristische Diskurse lebendig zu vermitteln, prägen seine Lehre ebenso wie der Anspruch, akademische Standards aus Deutschland zu vermitteln. Dr. Frenzel zeigt unterdessen großes persönliches Engagement: Er hält Kontakt mit ehemaligen und aktuellen Institutsmitarbeitern und Studierenden, erkundigt sich regelmäßig über die Situation der Studienjahrgänge und lädt sogar aktuelle CDIR-Stipendiaten in Deutschland auf Besuche in seine Wahlheimat nach Karlsruhe ein. Zur Aufnahme seiner Kurzzeitdozenturen am CDIR bringt er routinemäßig Lehrbücher und weitere Medien mit, um die Studienbedingungen vor Ort zu verbessern. Sein Unterricht ist didaktisch vielfältig und auf die langfristige Wirkung angelegt. Die Studierenden erhalten nicht nur einen fundierten Einblick in das Europarecht, sondern werden zugleich mit wissenschaftlichen Arbeitsweisen und Diskussionskulturen vertraut gemacht, wie sie an deutschen Universitäten gepflegt werden.

Ein besonderes Merkmal seiner Dozentur ist die jährliche Durchführung anonymer Evaluationen, die Dr. Frenzel eigeninitiativ organisiert. Die Rückmeldungen nutzt er, um seine Lehre kontinuierlich weiterzuentwickeln – eine Praxis, die bei den Studierenden auf hohe Wertschätzung trifft und ihn für zukünftige Kurzzeitdozenturen am Institut empfiehlt.

Nach seiner diesjährigen Rückkehr aus Peking nach Deutschland ging es weiter. Im Juni lud Dr. Frenzel, wie er es in den vergangenen 14 Jahren schon wiederholt getan hatte, seine CDIR-Studierenden des Vorjahres in Peking (2024) und aktuellen Stipendiaten an deutschen Partneruniversitäten nach Karlsruhe ein. Drei von ihnen folgten seiner Einladung, zu der Dr. Frenzel über das Wochenende für eine Unterkunft sorgte und ein Besuchsprogramm gestaltete. Neben einem einzigartigen Einblick in das Gebäude des Bundesverfassungsgerichts und dessen Abläufe, standen auch kulturelle Orte wie das Badische Landesmuseum, der Turmberg und das Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) auf dem Programm. Karlsruhe als „Residenz des Rechts“ wurde so für die Studierenden nicht nur ein Begriff, sondern ein erfahrbarer Ort deutsch-europäischer Rechtskultur. Zu ihren Besuchsfotos hat die CDIR-Stipendiatin Xu Ying einen kleinen Reisebericht verfasst.

„Zum 21. Juni 2025 besuchten wir drei zunächst das Bundesverfassungsgericht und besichtigten den Eingangsbereich mit den Bildern der ehemaligen Richterinnen und Richtern des Bundesverfassungsgerichts, den Sitzungssaal und die Bibliothek, fachkundig geführt von einem aktuellen wissenschaftlichen Mitarbeiter. Mit dessen Erläuterungen wurde deutlich, dass die Funktion des Gerichts als Staatsgerichtshof und Verfassungsgericht nicht nur von historischer, sondern auch von großer aktueller Bedeutung ist. Anschließend besuchten wir das Badische Landesmuseum und Karlsruher Schloss und erfuhren mehr über die Geschichte und Kultur in erster Linie des badischen Landesteils des heutigen Landes Baden-Württemberg. Am 22. Juni 2025 erklommen wir über 528 Stufen und noch ein paar Steigungen mehr mit Herrn Frenzel den Turmberg bei Karlsruhe und erlebten von oben die verschiedenen Naturlandschaften der Stadt, die von grünen Wäldern der Ausläufer des Schwarzwalds und der oberrheinischen Tiefebene umgeben ist. Karlsruhe ist nicht nur eine Stadt mit geschätzter Kultur, sondern auch eine lebenswerte und grüne Stadt. Ein Besuch des Zentrums für Kunst und Medien Karlsruhe (ZKM) schloss sich an, wo sich die Verschmelzung von moderner Technologie mit Kultur und Kunst erleben lässt, denn aktuell residiert dort auch die Staatliche Kunsthalle mit Gemälden aus vom Spätmittelalter bis ins 20. Jahrhundert. Die Reise zeigte uns nicht nur den Charme Karlsruhes, sondern bot auch Gelegenheit zum weiteren Austausch für uns mit Herrn Frenzel. Dieses kurze, aber erfüllende Treffen war für uns eine Gelegenheit, ein tieferes Verständnis der deutschen Rechtskultur zu erlangen und die Freundschaft fortzusetzen.“ Xu Ying

Prof. Dr. Sebastian Lohsse: Gastvorlesung im Herzen Chinas, Sachenrecht und akademische Hausarbeiten am CDIR

Ebenfalls als Kurzzeitdozent für zwei Wochen zu Gast war in diesem Semester Prof. Dr. Sebastian Lohsse, Inhaber des Lehrstuhls für Rechtsgeschichte an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster. Prof. Lohsse unterrichtete am CDIR das deutsche Sachenrecht – ein zentrales, aber zugleich herausforderndes Teilgebiet des Privatrechts. Seine Lehre verband historische Perspektiven mit gegenwartsbezogener Analyse und ermöglichte den Studierenden ein vertieftes Verständnis der Systematik des deutschen Zivilrechts.

Prof. Lohsse am CDIR (links) und in Chongqing an der Southwest University of Political Science and Law (mitte und rechts) zum
deutschen Gewährleistungsrecht, simultan-übersetzt vom CDIR-Alumni, Dr. Li Hai.

Prof. Lohsse, ehemaliger deutscher Direktor des Deutsch-Chinesischen Instituts für Rechtswissenschaften der Universität Nanjing, bleibt im Rahmen des Kooperationsprojekts der Universität Münster mit der CUPL eng mit der chinesisch-deutschen Rechtswissenschaft verbunden. Vor Beginn seiner Dozentur reiste er auf Einladung des CDIR-Alumnus Dr. Li Hai nach Chongqing an die Southwest University of Political Science and Law (SWUPL), wo er einen von Dr. Li Hai gedolmetschten Vortrag zum deutschen Gewährleistungsrecht hielt.

Sein Unterricht am CDIR war nicht nur durch inhaltliche Tiefe, sondern auch durch höheren methodischen Anspruch geprägt: Die Studierenden hatten im Anschluss an die Dozentur die Aufgabe erhalten, eine juristische Hausarbeit anzufertigen. Dabei sollten sie – in Anlehnung an deutsche Standards – einen sachenrechtlichen Fall unter Rückgriff auf die in der CDIR-Bibliothek verfügbaren Quellen gutachterlich analysieren. Die Herausforderung, sich mit einem komplexen rechtlichen Sachverhalt schriftlich und systematisch auseinanderzusetzen, bot eine neue akademische Erfahrung und gab den Studierenden eine Gelegenheit mehr, die CDIR-Bibliothek zu erkunden.


Fazit:

Die diesjährigen Kurzzeitdozenten zeigen exemplarisch, wie internationale akademische Kooperation nicht nur durch Verträge, sondern vor allem durch persönliche Begegnungen, fachliches Engagement und kulturelle Offenheit lebendig wird. Dr. Frenzel und Prof. Lohsse haben mit ihrer Lehre, ihren persönlichen Kontakten und ihrer Bereitschaft zum Austausch entscheidend dazu beigetragen, dass das CDIR auch in diesem Sommersemester ein Ort der juristischen und interkulturellen Verständigung war.