Shanghai, 19. Oktober 2025.
Vom 17. bis 19. Oktober 2025 fand an der Tongji-Universität in Shanghai das diesjährige Netzwerktreffen der drei deutsch-chinesischen Institute für Rechtswissenschaft statt – eine Veranstaltung, die der Vernetzung der chinesisch-deutschen Rechtsstudierenden und der Stärkung der Institutskooperationen gewidmet ist.
Die Veranstaltung wurde von Sven Klose, dem deutschen Vizedirektor des Chinesisch-Deutschen Instituts für Internationales Wirtschaftsrecht (CDIIW) der Tongji-Universität, federführend organisiert und durch mehrere deutsche Institutionen unterstützt – allen voran den Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD). Neben den Gastgebern nahmen das Deutsch-Chinesische Institut für Rechtswissenschaft der Nanjing-Universität und das Chinesisch-Deutsche Institut für Rechtswissenschaft (CDIR) der China University of Political Science and Law (CUPL) in Peking teil. Insgesamt kamen über 70 chinesische und deutsche Studierende, Lehrende und Alumni zusammen, um sich über Studium, Forschung und künftige Kooperationen auszutauschen.

Anreise der CDIR-Gruppe und Auftaktabend
Die CDIR-Delegation aus Peking, bestehend aus 22 chinesischen und deutschen Studierenden sowie drei Hochchullehrern, reiste am 17. Oktober mit dem Hochgeschwindigkeitszug nach Shanghai. Vor dem Check-in im Hotel unternahm die Gruppe einen kurzen Abstecher auf die berühmte Nanjing East Road, um die erste gemeinsame Mahlzeit einzunehmen und einen Eindruck der Stadt zu gewinnen.
Am Abend eröffneten Gastgeber Prof. Gao Xujun, Drektor des CDIIW an der Tongji-University und Vizedirektor Sven Klose die Gäste im Restaurant Hongchengge Hotel unweit des Campus. Das Motto des Treffens – gegenseitiges Kennenlernen – prägte den Abend. Nach den Ansprachen nutzten die gemischten Studierenden der drei Institute die Gelegenheit zu Gesprächen und gemeinsamen Aktivitäten, die größtenteils noch am gleichen Abend über das offizielle Programm hinausgingen – gleich im Anschluss an das Abendessen versammelten sich die Studierenden im Foyer, um gemeinsame Abendpläne zu besprechen .

Praxis, Academia und Austausch am 18. Oktober
Der Haupttag des Treffens fand am Samstag im Gebäude des Chinesisch-Deutschen Hochschulkollegs an der Tongji-University statt. Nach den Eröffnungsworten von Prof. Xu Gang, Vizedekan der Juristischen Fakutltät der Tongji-University, stellten die Vertreter der drei Institute ihre Programme vor. Balduin Benesch (CUPL), Prof. Xu Lingbo (Nanjing) und Sven Klose (Tongji) beschrieben die gemeinsamen Ziele: die Förderung der juristischen Fachkompetenz und des Austauschs im deutschen und chinesischen Recht, die an allen drei Institutionen etwas unterschiedlich verfolgt werden. Neben den Masterstudienprogrammen zum deutschen Recht, die alle drei Institute ähnlich gestalten, bieten die Tongji- und Nanjing-Universität auch LL.M.-Studiengänge für deutsche Studierende an, wohingegen das CDIR für deutsche Studierende ein Austauschstudium an der CUPL anbietet.
in zentraler Programmpunkt des Tages bestand in der Durchführung studentischer Minidebatten zu juristischen Themen, auf die sich die Studierenden bereits eine Woche vor Beginn der Veranstaltung in gemischten Gruppen über WeChat vorbereitet hatten – institutsübergreifend und ohne sich persönlich zu kennen. Jede Gruppe wählte einen stellvertretenden Redner/in, der bzw. die am Samstagmittag den gemeinsam erarbeiteten Standpunkt vertreten sollte. Die Themen reichten von der Frage, „Ja oder Nein zu KI-generierten Beweisen bei Gerichtsverhandlungen?“ bis zu Autofahrverbotszonen in Innenstädten. Die Gruppen ließen den chinesischen Studierenden den Vortritt, um ihr Deutsch und ihre Argumentationsfähigkeit auf die Probe zu stellen. Bei den beeindruckenden Vortragsleistungen wurde deutlich erkennbar, dass in allen Gruppen mehrere Studierende aktiv an der Vorbereitung mitgewirkt hatten. Vor und nach jeder Debatte führte Herr Klose unter den Zuhörerinnen und Zuhörern Abstimmungen durch, wer jeweils für oder gegen die vorgegebene rechtliche Hypothese war. Dabei zeigte sich, dass die Vorträge bei vielen Themen spürbare Meinungsänderungen im Publikum herbeiführen konnten, was ein Beleg für die Überzeugungskraft der Redebeiträge war.

Weitere Kurzvorträge von Studierenden boten ein breites Spektrum an Themen und Eindrücken: Sie reichten von Forschungsinteressen und fachlichen Beobachtungen über Einblicke in den Studienalltag bis hin zu Erfahrungsberichten über das Auslandsjahr von bereits zurückgekehrten chinesischen Masterstudierenden aus deutschen Universitäten. Zum Mittagessen bekamen alle Teilnehmenden erstmals Gelegenheit, den Campus der Tongji-Universität selbstständig zu erkunden und sich in gemischten Gruppen weiter auszutauschen.
Im weiteren Verlauf des Nachmittags stellte Dr. Jan Harder, Direktor des Chinesisch-Deutschen Hochschulkollegs (CDHK) der Tongji-Universität, die Geschichte, Struktur und strategische Bedeutung des CDHK vor – eines der größten deutsch-chinesischen Hochschulprojekte in China. Zusammen mit Sven Klose hub er hervor er, dass während der aktuell stattfindenden „Deutsche Woche“ am CDHK und der Tongji-University, bei der sich die verschiedenen deutschsprachigen Studienprogramme, Forschungskooperationen und Partnerinstitutionen der Tongji-Universität gemeinsam präsentieren, das Chinesisch-Deutsche Institut für Internationales Wirtschaftsrecht (CDIIW) als Institut des CDHK aufgenommen wird. Diese Entscheidung, die im Einvernehmen mit der Universitätsleitung, Vertretern des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) und des DAAD getroffen wurde.

Im Anschluss sprach Frau Susanne Otte, DAAD-Regionalbeauftragte für Asien, die das Netzwerktreffen gemeinsam mit ihrer designierten Nachfolgerin Ruth Schimanowski besuchte. In ihrer Ansprache würdigte sie die drei deutsch-chinesischen Rechtsinstitute als beispielhafte Plattformen für nachhaltige akademische Zusammenarbeit zwischen beiden Ländern. Sie betonte, dass das Netzwerktreffen künftig regelmäßig unterstützt und als fester Bestandteil der DAAD-Förderstruktur in China fortgeführt werden soll. Beim anschließenden Gruppenfoto mit den beiden DAAD-Vertreterinnen und Dr. Jan Harder (siehe erstes Bild oben) wurde die Bedeutung des Treffens als Teil der kontinuierlichen institutionellen Zusammenarbeit deutlich sichtbar – ein Moment, der die enge Verbindung von Förderung, akademischer Struktur und persönlichem Engagement exemplarisch zum Ausdruck brachte.
Einen weiteren Höhepunkt des Nachmittags bildete der Vortrag des Alumnus Zhong Yuan, heute Partner der Kanzlei Shaohe Law Firm in Shanghai. In seinem Beitrag sprach er über die Anwendung deutschen Rechts in der chinesischen Rechtsberatung und berichtete aus seiner beruflichen Praxis sowie von seinen Erfahrungen im gemeinsamen Doppelmasterprogramm an der Tongji-Universität. Sein lebendiges Fallbeispiel machte deutlich, wie Absolventinnen und Absolventen der deutsch-chinesischen Studienprogramme in Wirtschaft und Recht heute erfolgreich grenzüberschreitend tätig sind und so das akademische Netzwerk mit Leben erfüllen. Anschließend folgten wissenschaftliche Vorträge aus den beteiligten Instituten: Prof. Xu Lingbo (Nanjing) sprach über Probleme der Vorsätzlichkeit in der Strafrechtsprüfung, Prof. Huang He (CUPL) widmete sich dem Thema Kriminalität und Kriminalitätskontrolle in China, während Prof. Zhang Taolüe (Tongji) den nächsten Programmpunkten aufgrund zeitlicher Begrenzungen den Vorzug gewährte.

Den feierlichen Abschluss des akademischen Programms bildete die Vorstellung des neu erschienenen Kommentars zum UN-Kaufrecht (CISG) durch Prof. Gao Xujun, Direktor des Tongji-Instituts. In einer lebhaften Fragerunde wurden die Studierenden aktiv einbezogen; diejenigen, die besonders präzise und kenntnisreich antworteten, erhielten ein signiertes Exemplar des Buches als Anerkennung. Auch die meisten teilnehmenden deutschen Studierenden, die bei diesem ausnahmsweise mehrheitlich chinesischsprachigen Programmpunkt nur wenig mitkamen, konnten ein Exemplar ergattern – eine herausfordernde Gelegenheit sich mit der chinesischen juristischen Fachsprache auseinanderzusetzen.
Bei einem gemeinsamen Essen in der Universitätsmensa nutzten die Studierenden wieder ausgegebene Essenscoupons und ließen die vielfältigen Eindrücke des Tages in entspannter Atmosphäre nachklingen. Anschließend sorgte Sven Klose in geselliger Runde mit einem Pubquiz für einen heiteren Ausklang: In gemischten Gruppen traten die Teilnehmenden in kulturellen, sprachlichen und rechtlichen Fragen gegeneinander an. Aufgaben wie das Finden des längsten deutschen Wortes, das Erraten chinesischer Verfassungsprinzipien oder das Aufzählen der chinesischen Tierkreiszeichen aller Gruppenmitglieder führten zu ausgelassener Stimmung, viel Gelächter und spürbarem Teamgeist. Zum Abschluss des Abends wurden die Siegergruppen des Pubquiz sowie die Gewinnerinnen und Gewinner der Mini-Debatten ausgezeichnet. Die feierliche, aber zugleich ungezwungene Atmosphäre spiegelte das Leitmotiv des gesamten Treffens wider: den fachlichen Austausch mit persönlicher Begegnung zu verbinden und gemeinsame Erlebnisse als Grundlage künftiger Kooperationen zu begreifen.
Gemeinsamer Ausklang

Der letzte Veranstaltungstag stand ganz im Zeichen des Austauschs außerhalb des Seminarraums. Bei einem Campus Walk and Talk führten Studierende der Germanistik-Fakultät der Tongji-Universität die Gäste über den weitläufigen, von Bäumen und historischen Gebäuden gesäumten Campus und gaben Einblicke in ihren Studienalltag. In einer anschließenden letzten offenen Gesprächsrunde – nun doch im Seminarraum – reflektierten Studierende und Lehrende gemeinsam die Erfahrungen des Wochenendes, sprachen über die Herausforderungen interkultureller Studienprogramme – Germanisten und Juristen vereint – und diskutierten Perspektiven für den Rechtsaustausch. Dr. Holger Hanisch, Vizedirektor des Instituts der Nanjing-Universität, machte sich während der Feedbackrunde zum Treffen eifrig Notizen. Er kündigte an, das Netzwerktreffen im kommenden Jahr – dem Rotationsprinzip folgend – nach Möglichkeit in Nanjing auszurichten.
Zum Abschluss nutzten die Pekinger CDIR’ler den Nachmittag für einen kurzen kulturellen Besuch des Jing’an-Tempels, bevor sie am Abend mit dem Schnellzug nach Peking zurückkehrte.
Das Netzwerktreffen 2025 hinterließ bleibende Eindrücke: Es zeigte, wie fruchtbar die Zusammenarbeit der drei Institute in Lehre und Forschung ist – und wie wesentlich Studierendenengagement, persönliche Begegnung und gemeinsame Erfahrung für die Entwicklung einer lebendigen deutsch-chinesischen Rechtswissenschaft und das gegenseitige Interesse bleiben.
